Am Donnerstag geht es wieder ums Thema „Einsamkeit“ und ich freu mich sehr darauf, diesen Begegnungsraum zu öffnen und mit einigen von euch einen Abend voller Verbundenheit, sanfter Körperübungen und Austausch zu diesem Thema zu verbringen.
Diejenigen unter euch, die bereits an einem Abend zu diesem Thema dabei waren, wissen, dass das Thema Einsamkeit auch mich seit langem – mal mehr, mal weniger stark – begleitet. Und beim Überarbeiten des Begleitheftes, beim Zusammenstellen der Reflexionsfragen und der Körperübungen, habe ich mich nochmals mit meinem eigenen Erleben beschäftigt. Auch, weil ich das so oft von euch höre und so gut kenne: ich habe doch Menschen um mich herum, ich „darf mich eigentlich nicht einsam fühlen“…
„Ich darf mich nicht einsam fühlen, ich habe doch Menschen um mich herum…“
Schaue ich also rational auf Freundschaft und enge Menschen in meinem Leben, dann sollte ich mich nicht einsam fühlen. Ich habe ein paar richtig enge Freundinnen, die ich seit Schulzeiten kenne. Nun gut, sie sind nicht in meiner Nähe: zwei von ihnen wohnen in München, meiner Heimatstadt, eine seit 20 Jahre in Berlin. Aber wenn wir uns sehen, fühlt es sich immer vertraut und schön an, so, als hätten wir uns erst gestern das letzte Mal gesehen. Auch habe ich aus der Zeit, in der wir am Chiemsee wohnten und meine Kinder dort in den Kindergarten und zur Schule gingen, einige sehr gute Freundinnen. Wir sehen uns ebenfalls nicht oft, aber doch jedes Mal, wenn ich an den Chiemsee zu meiner Mutter fahre. Und auch das ist immer wunderbar, verbunden und vertraut.
Auch durch Aus- und Fortbildungen habe ich ganz wunderbare Menschen kennengelernt, die zu Freundinnen geworden sind, aber ebenfalls verstreut im ganzen Land leben. Meist haben wir uns über einen längeren Zeitraum sehr intensiv kennengelernt, so dass da eine tiefe Verbindung besteht. Und doch sind wir alle, nach einer besonderen Phase unseres Lebens, wieder in das eigene Leben zurückgekehrt, so dass unser Kontakt lose und sporadisch ist, auch, wenn wir uns wichtig sind und mögen.
Und dann sind natürlich seit meinem Umzug nach Hamburg im Jahr 2018 neue Menschen in mein Leben getreten, meist weniger eng, weil das Leben ein anderes geworden ist, wir alle beruflich und privat eingespannt sind. Und weil es gar nicht so einfach ist, Freundschaften zu knüpfen mit Menschen, die schon lange hier leben und daher meist einen festen Freundeskreis haben. Und vielleicht auch gar nicht so sehr das Bedürfnis verspüren, neue Menschen in ihr Leben zu lassen. Einige Freundschaften sind wieder zerbrochen, weil sie zu neu, zu fragil, nicht gefestigt genug waren, um ersten Unstimmigkeiten stand zu halten. Aber dennoch: es gibt auch hier Menschen, die mir wichtig sind und denen ich mich verbunden fühle.
Und dann gibt es Ex-Partner, Menschen, die mir hier und da begegnet sind, mit denen ich in lose in Kontakt bin, mal einen Kaffee trinke oder Projekte plane…
Trotz all dieser Menschen in meinem Leben, habe ich immer wieder das Gefühl einsam zu sein, niemanden kontaktieren zu können, wenn ich den Wunsch nach Verbindung und Kontakt verspüre, mich also tatsächlich einsam (und nicht nur allein) fühle.
Wenn ich etwas tiefer gehe, versuche zu verstehen, woher dieses Gefühl rührt, dann weiß ich mittlerweile – nach eingehender Beschäftigung mit dem Thema Bindungstrauma in meiner Ausbildung zur Traumasensiblen Coachin bei Verena König – dass es mit genau dieser Thematik zu tun hat.
Aufgrund meines eigenen Bindungstraumas gehe ich (unbewusst) davon aus, dass (gute) Bindung nicht sicher ist, nicht verlässlich, aber auch, dass ich mich niemandem zumuten darf, nicht zu viel Raum einnehmen, ohne verlassen zu werden oder ignoriert.
Daher ein paar Worte zu Einsamkeit und Bindungstrauma, und wie das das zusammenhängt
Ein Bindungstrauma entsteht oft in der frühen Kindheit, wenn unsere grundlegenden Bedürfnisse nach Nähe, Schutz, emotionaler Zuwendung oder Verlässlichkeit nicht oder nicht ausreichend erfüllt wurden – sei es durch Vernachlässigung, emotionale Kälte, Überforderung oder inkonsistente Fürsorge. Unser Nervensystem lernt dann: Beziehung ist nicht sicher.
Diese frühen Erfahrungen prägen unser gesamtes Beziehungserleben:
- Misstrauen oder Unsicherheit in Beziehungen: Menschen mit Bindungstrauma fühlen sich oft nicht wirklich sicher im Kontakt mit anderen Menschen – auch wenn der Wunsch nach Nähe groß ist.
- Scham & Selbstwertthematik: Die Überzeugung, „nicht richtig“ oder „nicht liebenswert“ zu sein, erschwert echte Verbundenheit.
- Schwierigkeiten mit Nähe & Abgrenzung: Der Wunsch nach Kontakt und Verbundenheit steht in Spannung mit dem Bedürfnis nach Schutz und Rückzug.
- Co-Regulation fehlt: Ohne die Erfahrung verlässlicher Bindung fehlen oft gesunde Strategien zur emotionalen Selbstregulation – Einsamkeit kann sich dadurch verstärken.
Bindungstrauma führt also dazu, dass wir uns zwar nach Nähe sehnen, sie aber zeitgleich als potenziell bedrohlich empfinden. Das Nervensystem bleibt in einem Schutzmodus – und wir bleiben im Innersten oft „allein mit allem“, teilweise selbst dann, wenn wir uns in Gesellschaft befinden.
Und so ist es unglaublich wichtig, immer und immer wieder korrigierende Erfahrungen im Kontakt mit anderen, wohlwollenden und zugewandten Menschen zu machen.
Uns zuzumuten und zu zeigen mit diesem schambehafteten Gefühl der Einsamkeit. Aber auch darüber zu sprechen und dann zu spüren, dass wir nicht allein damit sind. Dass es sogar sehr vielen Menschen so geht. Denn, wenn wir uns nicht zeigen, uns nicht zu erkennen geben, dann bleiben wir allein mit diesem Gefühl.
Und auch, wenn ich bereits mit Freundinnen über meine Einsamkeit gesprochen habe und sie mir sagen: „Du weißt doch, dass du mich jederzeit anrufen oder zu mir kommen kannst. Das machst du ab sofort, ja?“ und ich auch verspreche, es zu tun – ich mache es meist trotzdem nicht.
Zu tief sitzt das Gefühl, mich nicht zumuten zu dürfen. Aber ich übe, ich verstehe mich und mein Nervensystem besser, ich schaffe es immer mehr, mich in solchen Momenten mit kleinen Übungen zu erden und zu regulieren. Ich bin mitfühlend und sanft mit mir, denn ich weiß: Heilung braucht Zeit. Und dann greife ich vielleicht doch zum Telefonhörer, um zu quatschen oder mich zu verabreden.
Begegnungsräume für Frauen / FLINTA
Mein großes Anliegen ist es daher, Begegnungsräume zu schaffen, in denen Du Dich verstanden, gesehen und geborgen fühlst für Verbundenheit, die nährt und stärkt, um immer öfter rauszukommen aus dem Gefühl der Einsamkeit.
Vielleicht hast Du Lust, einmal dazuzukommen zu einem dieser Abende – weitere Infos findest Du hier: https://myriamfilz.com/traumasensibles-embodiment-gespraeche-die-verbinden/