Die Polyvagal-Theorie hilft uns zu verstehen, wie unser Nervensystem auf Stress reagiert und wie wir es gezielt beruhigen können. Entwickelt wurde sie 1994 von Stephen W. Porges, der erkannte, dass unser autonomes Nervensystem nicht nur zwischen Anspannung (Sympathikus) und Entspannung (Parasympathikus) wechselt, sondern noch eine dritte wichtige Reaktion kennt: das Erstarren.
Wie funktioniert unser Nervensystem?
Unser autonomes Nervensystem steuert unbewusst, wie wir auf unsere Umgebung reagieren. Es gibt drei zentrale Zustände:
- Ventraler Vagus: Wir fühlen uns sicher, entspannt und verbunden mit anderen.
- Sympathikus: Unser Körper geht in Alarmbereitschaft – wir sind angespannt, aktiv und bereit zu kämpfen oder zu fliehen.
- Dorsaler Vagus: Wenn wir uns überwältigt fühlen, kann unser Körper abschalten – wir fühlen uns kraftlos, erschöpft oder wie betäubt.
Diese Mechanismen sind überlebenswichtig. Doch unser Nervensystem unterscheidet nicht zwischen echter Bedrohung und alltäglichem Stress. Konflikte, Zeitdruck oder belastende Nachrichten können genauso eine Stressreaktion auslösen wie eine tatsächliche Gefahr.
Warum fühlen wir uns manchmal „wie gelähmt“?
Unser Nervensystem bewertet Situationen automatisch, ohne dass wir bewusst darüber nachdenken. Diesen Vorgang nennt man „Neurozeption“. Manchmal reagiert unser Körper auf ungefährliche Situationen mit Stress oder Erstarren – zum Beispiel bei Lampenfieber, Blackouts oder wenn uns Konflikte überfordern.
Was hilft, um sich sicher und entspannt zu fühlen?
Die gute Nachricht: Wir können unser Nervensystem aktiv unterstützen, um uns schneller zu beruhigen. Hilfreiche Methoden sind:
- Sichere Beziehungen: Menschen, die Ruhe und Geborgenheit ausstrahlen
- Tiefe, langsame Atmung: Besonders das langsame Ausatmen hilft
- Bewegung: Schütteln, Tanzen, Spazierengehen
- Klang und Stimme: Summen, Singen oder sanftes Tönen
- Achtsamkeit: Meditation, Yoga oder bewusstes Spüren des Körpers
- Schreiben: Gedanken und Gefühle auf Papier bringen
Diese Techniken helfen, unser Nervensystem zu trainieren und leichter in einen Zustand von Sicherheit und Entspannung zu wechseln.
Der Schlüssel zu mehr Wohlbefinden
Der ventrale Vagus – unser „Selbstheilungsnerv“ – unterstützt uns dabei, gelassener und verbundener zu leben. Indem wir bewusst darauf achten, was uns Sicherheit gibt, können wir unsere Resilienz stärken und stressige Situationen besser bewältigen.
Wenn wir verstehen, wie unser Nervensystem funktioniert, können wir uns selbst mit mehr Mitgefühl begegnen und unser Wohlbefinden aktiv fördern.